Das relative 5-Jahres-Überleben nahm in den vergangenen
Jahrzenten deutlich zu. Während nach einer Diagnosestellung in der Periode 1991-1995 das relative 5-Jahres-Überleben eines Krebspatienten bei 53,1% lag, stieg es mit
der Diagnoseperiode 2011-2015 auf 60,7%. Dabei entspricht ein Wert von 100% der Überlebenswahrscheinlichkeit
der Gesamtbevölkerung. Je höher das relative Überleben von Krebspatientinnen
und Krebspatienten ist, desto eher gelten für sie dieselben Sterbewahrscheinlichkeiten
wie für die übrige Bevölkerung. Anders ausgedrückt, verglichen mit
der allgemeinen Überlebenswahrscheinlichkeit für einen Zeitraum von
fünf Jahren war die Überlebenswahrscheinlichkeit von in den Jahren
1991-1995 an Krebs erkrankten Personen nur 0,53 mal so hoch, von 2011-2015
an Krebs erkrankten Personen dagegen 0,61 mal so hoch.
Für Männer stieg der Wert von 49,4% in der Diagnoseperiode 1991-1995 auf 58,3% in
der Periode 2011-2015 und für Frauen im selben Zeitraum von 56,5% auf 63,3%.
Die weitaus schlechteren Überlebensbedingungen für Männer vor knapp
30 Jahren und die positive Entwicklung sind zu einem Großteil auf die
verschiedenen Arten der Tumorerkrankungen und deren Anteil an den gesamten
Neuerkrankungen zurückzuführen. So tritt zum Beispiel Lungenkrebs,
der eine sehr schlechte Prognose hat, bei Männern nicht mehr so häufig
auf wie es früher der Fall war.
Für Krebspatientinnen und Krebspatienten, die bei
der Diagnose jünger als 45 Jahre waren, betrug das relative 5-Jahres-Überleben
83,4% (Diagnoseperiode 2011-2015). Im Vergleich dazu betrug es für die
älteste Patientengruppe, mit einer Diagnosestellung erst nach dem 75.
Geburtstag, nur 46,3%. Die generell höhere Sterbewahrscheinlichkeit
für ältere Menschen wird durch die Methode des relativen Überlebens
berücksichtigt. Die Überlebenswahrscheinlichkeiten werden denen der
Gruppe der Gesamtbevölkerung gleichen Alters und Geschlechts gegenüber
gestellt. Bei den unter 45-jährigen Männern betrug das relative 5-Jahres-Überleben
80,5%, bei den Frauen 85,3%. Dahingegen betrug das relative 5-Jahres-Überleben
der über 75-jährigen Männer sowie der Frauen 46%. Bei einem Vergleich
der Diagnoseperioden 1991-1995 und 2011-2015 wurde der stärkste Zugewinn bei Männern im Alter zwischen 45 und 59 Jahren
beobachtet (+16 Prozentpunkte).
Das Tumorstadium bei Diagnose ist ein wichtiger Parameter für die Einschätzung
der Überlebenschancen. Je später ein Tumor entdeckt wird, desto
schlechter ist seine Prognose. In der Diagnoseperiode 2011-2015 betrug
das relative 5-Jahres-Überleben für alle Tumorstadien zusammen 61%.
Werden Tumore in einem Stadium entdeckt, in dem die Organgrenzen noch
nicht durchbrochen sind (lokalisiert), liegt die Überlebensrate bei
87,8%. Sind bereits Lymphknoten befallen (regionalisiert), liegt die
relative Überlebensrate nach fünf Jahren bei 59,5%, wenn bereits Metastasen
vorhanden sind (disseminiert), sind es nur mehr 10,9%. Systemische Tumore
weisen ein relatives 5-Jahres-Überleben von 61% auf. Zwischen 1991-1995
und 2011-2015 stiegen die entsprechenden Überlebensraten zwischen 6
und 13 Prozentpunkte an, mit Ausnahme der bereits bei der Diagnose metastasierten
Tumore, hier stieg der Wert lediglich von 9 auf 11%.
In diese Analyse flossen Informationen von 982.982
Krebsfällen, die zwischen 1991 und 2018 diagnostiziert und vom österreichischen
Krebsregister dokumentiert wurden, ein. Die Hauptergebnisse entsprechen
den bereits bekannten internationalen Ergebnissen: So zeigte sich eine
langfristige deutliche Zunahme des Überlebens nach einer Krebsdiagnose
in den letzten 25 Jahren. Das Tumorstadium bei Diagnose sowie Alter
und Geschlecht des Patienten hatten den größten Einfluss auf die Überlebensdauer.
Positiv ist, dass sich die Überlebenswahrscheinlichkeiten von Männern
in den vergangenen Jahren deutlich verbessert haben und nun in etwa
denen der Frauen entsprechen. Nicht berücksichtigt wurde in dieser
ersten Auswertung, dass Krebs verschiedene Gewebetypen betreffen kann.
Der Anteil der verschiedenen Tumoren an allen Tumoren sowie die Veränderung
dieser Anteile im Laufe der Zeit haben ebenfalls einen Einfluss auf
das Überleben und sind Gegenstand weiterer Analysen. Bei der Interpretation
der Überlebenswahrscheinlichkeiten sind allerdings auch einige Schwächen
der Methode zu berücksichtigen. So führen frühere Diagnosestellungen,
wie zum Beispiel durch Screening, in der Regel zu einem längeren Überleben.
Ob der Patient dadurch nur früher um seine Diagnose Bescheid weiß
oder ob der Tod dadurch auch hinausgezögert werden kann, kann hier
nicht beantwortet werden. Genauso wenig gibt die Überlebensdaueranalyse
Aufschluss über die Lebensqualität der Krebspatientinnen und Krebspatienten.
Darüber hinaus kann auch die Überlebensdauer auch durch sogenannte
„Überdiagnose“ künstlich verlängert sein. ). „Überdiagnose“
ist der Fachbegriff für die Entdeckung einer Veränderung ohne Bedeutung
für die weitere Gesundheit bei einer asymptomatischen Person. Das bedeutet,
die entdeckte Erkrankung hätte nie zu Beschwerden oder zum Tod geführt.
In diesem Fall wäre das ein bösartiger Tumor, der sich spontan zurückbildet,
oder dessen Wachstum stagniert oder so langsam voranschreitet, dass
er auch bei sehr langem Überleben nicht lebensbedrohlich geworden wäre.
Per Definition bringen die Untersuchungen und Behandlungen keinen Nutzen
sondern ziehen nur Nebenwirkungen, Komplikationen, Kosten und im schlimmsten
Fall sogar einen vorzeitigen Tod nach sich (Marcus et al., 2015; Paci
et al., 2006; Etzioni et al. 2002; Carter et al., 2015; Chiolero et
al., 2013).
Methodische Hinweise:
Die Analyse bezieht sich auf alle Malignome (ausgenommen
nicht-melanotische Tumore der Haut) und wird für beide Geschlechter
zusammen als auch für Männer und Frauen getrennt, nach Altersgruppen
und nach Tumorstadium bei der Diagnose dargestellt. Neben den 5-Jahres-Überlebensraten
wurden auch 1-, 10- und 15-Jahres-Überlebensraten berechnet. Bei der
Berechnung von Langzeitüberleben mit herkömmlichen Methoden spiegeln
die Ergebnisse allerdings die Situation von Patienten wider, deren Diagnosestellung
viele Jahre zurückliegt und die nicht unbedingt der Situation von kürzlich
diagnostizierten Patienten entspricht. Es wurden beobachtetes Überleben
sowie relative Überlebensraten, bezogen auf die Sterblichkeit der gesamten
Bevölkerung, berechnet. Beide Maßzahlen werden einerseits als intervallspezifische
Raten pro Erkrankungsjahr und andererseits als kumulierte Raten für
den gesamten Beobachtungszeitraum dargestellt. Der Schwerpunkt liegt
allerdings auf den relativen 5-Jahres-Überlebensraten, da diese die
Qualität des Gesundheitswesens gut abbilden und häufig im internationalen
Vergleich und zur Bewertung von Zeitverläufen verwendet werden. Die
Basis für die Analyse bildeten die Daten des österreichischen Krebsregisters
und der Todesursachenstatistik. Die Diagnosestellung erfolgte zwischen
1991 und 2018, Information zum Vitalstatus der Patienten stand bis zum
31.12.2019 zur Verfügung. Nach dem Ausschluss von Death-Certificate-Only
Fällen, standen für die Analyse 982.982 Fälle zur Verfügung. Weitere
Informationen zur Berechnung des Überlebens der Krebspatientinnen und
Krebspatienten finden sie in Dickman,
P. (2004): "Estimating and modeling relative survival
using SAS".